Wildreben

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Allgemeine Bezeichnung für natürliche Reben-Vorkommen, die sich während der Evolutionsgeschichte als Arten und Unterarten herausgebildet haben und in ihren Verbreitungsarealen spezielle Standorte besiedeln.

Die Artareale sind ein Spiegel der Klima- und Vegetationsgeschichte der jeweiligen Besiedlungsräume und geben Auskunft über den ökologischen Umfang und Anpassungsfähigkeit der Arten. Wo sich die Areale verschiedener Spezies überschneiden und keine zellbedingten Befruchtungssperren bestanden, konnten sich in Ausnahmefällen zum Beispiel bei geringfügiger Überschneidung der Blühperioden lebensfähige Naturhybriden durch natürliche Kreuzung ausbilden. Auf Grund der zahlreichen Funde von fossilen Samen, Holzresten und Blattabdrücken gilt es als erwiesen, dass es wilde Vorformen der Weinreben schon am Ende der Kreidezeit (Frühes Eozän) und im frühen Quartär (Oligozän), also vor rund 60 bis 80 Millionen Jahren gegeben hat. Durch die quartären Eiszeiten (100.000 bis 10.000 Jahre vor heute) wurden die im Tertiär in Mitteleuropa heimischen Wildreben in den Mittelmeerraum und die Tiefebene des damals noch nicht existenten Schwarzen Meeres sowie nach Zentralasien zurückgedrängt.

Während den intereiszeitlichen Warmzeiten bildeten sich immer wieder neue Rebenbestände in Mitteleuropa aus, die von den nachfolgenden Eiszeiten wieder ausgelöscht wurden. Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren sind während der dann folgenden Wärmeperiode (Atlantikum 5500 bis 2500 v. Chr.) mit ihrem subtropischem Monsunklima auch die Wildreben zusammen mit anderen lichtliebenden Gehölzarten nach Mitteleuropa zurückgekehrt. Die großflächige Ausbreitung erfolgte vor allem durch Vögel, die die Beeren mitsamt den Kernen fraßen und die unverdaulichen Samen irgendwo mit dem Vogelkot wieder ausschieden. In den Flussauen trugen auch Überschwemmungen zur Samenausbreitung bei. So konnten sich immer neue Wildreben in den damals noch wesentlich lichteren Eichen-Mischwäldern und Auwäldern ansamen.

Eine der ältesten Beschreibungen von Wildreben (neben jenen in der Bibel) stammt von den Fahrten des Isländers Leif Eriksson in der Grenlinga-Saga, der um das Jahr 1000 das berühmte Vinland an der Ostküste der USA (Massachusetts) erreichte. Im 17. Jahrhundert fanden die europäischen Siedler in Nordamerika in den Wäldern üppig wuchernde Wildreben vor. Heute gibt es dort noch größere Bestände im Osten und Südosten, sowie in Asien, vor allem in China. Durch Rodungen  gegen Ende des 19. Jahrhunderts, Pflanzung von Forsten, gezielte Entfernung der Lianen- und Wildrebendickichte, sowie durch umfangreiche Flussbegradigungen und Trockenlegung der Auwälder sind sie heute in Europa nahezu ausgerottet. Einige Restbestände gibt es noch in Spanien (Baskenland), Frankreich (an Garonne, Loire und Rhône), in Deutschland (Oberrhein), in der Schweiz (Genfer See), in Österreich (Lobau), auf dem Balkan und an der Donau, vor allem in Serbien und Rumänien.

Wildreben dürfen jedoch keinesfalls mit den als Wilder Wein bezeichneten Reben-Gattungen verwechselt werden. Die einzige europäische Art Vitis vinifera gliedert sich in die Kulturform Vitis vinifera ssp. vinifera (veraltet Vitis vinifera ssp. sativa) und die Wildform Vitis vinifera ssp. sylvestris Gmelin. Davon wurde die Unterart Vitis vinifera ssp. caucasica Vavilov abgegrenzt, was heute jedoch nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Nimmt man eine Wildrebe in Kultur und erzieht und schneidet sie wie ein kultivierter Rebstock, ist der Unterschied zwischen kultivierten und wilden Reben gar nicht so groß. Der wesentlichste Unterschied besteht in der so genannten Zweihäusigkeit, das heißt, die Rebstöcke der Wildreben tragen nur funktional männliche oder nur funktional weibliche Blüten und sind so auf Fremdbefruchtung angewiesen. Allerdings gibt es auch noch einige funktional weibliche Kulturrebsorten, und etwa 1 bis 5% der Wildreben in noch bestehenden Beständen tragen zwittrige Blüten. Die Regel bei Wildreben sind jedoch zweihäusige Pflanzen mit funktional eingeschlechtlichen Blüten, blauen Beeren, langgestreckten Internodien und langen funktionsfähigen Ranken. Die einhäusigen Kulturreben tragen zumeist Zwitterblüten (siehe dazu auch ausführlich unter Blüte).

Weitere Charakteristika von Wildreben sind kleine, lockere Trauben und kleine Beeren mit vergleichsweise großen Samen, wobei die Trauben einiger Akzessionen bei vollständiger Befruchtung durchaus mit kleinbeerigen mitteleuropäischen Sorten mithalten können. Auch genotypisch ist eine Unterscheidung zwischen europäischer Wildrebe und europäische Kulturrebe kaum eindeutig zu treffen. Jede Wildrebenpflanze stellt in der Regel ein aus Samen gekeimtes Pflanzenindividuum dar, das zwar nicht vegetativ vermehrt wurde, aber wie die meisten kultivierten Rebsorten einen eigenständigen Genotyp aufweist und damit äquivalent zum Begriff Rebsorte steht. Bei den Wildarten spricht man aber nicht von Sorten, sondern von Formen und verwendet statt wohlklingender Namen häufig den Sammler, Sammelort und Nummern.

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